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Den Volleyballsport zum Beruf machen

Seit zwei Jahren existieren die Nationalen Nachwuchsvereine für die talentiertesten Athletinnen des Landes. Das Ziel: Die Volleyballstars von morgen zu formen. Was es bedeutet, in einem NNV zu spielen und welche Herausforderungen die Spielerinnen meistern müssen, erklären Frieder Strohm und Harald Gloor.

Sie beide haben vor zwei Jahren die Umstrukturierung der alten Talent Schools zu den neuen Fördergefässen, den Nationalen Nachwuchsvereinen – kurz NNVs –, miterlebt: Frieder Strohm, Trainer des Volleyball Nachwuchsnationalteams der Frauen und Geschäftsführer des NNV Volleyball Academy in Zürich sowie Harald «Harry» Gloor, Trainerausbildungsverantwortlicher im Bereich Leistungssport bei Swiss Volley und Athletinnenbetreuer beim NNV BTV Aarau Volleyball. Wo sehen sie die Vorteile der neuen Fördergefässe:

«Ein grosser Vorteil ist die Fokussierung auf einen Trainerstaff und eine Organisation», erklärt Harry Gloor. «Zuvor spielten die Spielerinnen der Talent Schools parallel in ihrem Stammverein und nahmen mit diesem an den Meisterschaften teil. Das bedeutete aber auch, dass sie in den Trainings und am Matchtag von unterschiedlichen Trainer:innen betreut wurden. In den NNVs werden alle Spielerinnen von einem Trainerstaff betreut. So wird nicht nur die Belastung der einzelnen Athletinnen optimal gesteuert.»

Die Spielerinnen des BTV Aarau Volleyball im Training mit Trainer Bob Fant (Foto: BTV Aarau Volleyball)

Dass die Entwicklung eines Teams und einzelner Spielerinnen nicht immer linear verläuft, erklärt Frieder Strohm. «Manchmal machen die Spielerinnen etwas schneller Fortschritte, manchmal etwas langsamer. Als NNV sind wir verantwortlich, diese Entwicklung im Blick zu behalten und die Belastungen der Spielerinnen zu steuern.» Eine zentrale Rolle nehme dabei das Athletiktraining ein. Besonders bei einem Sport wie Volleyball, der die Schulter, Hüft- sowie Kniegelenke extrem belastet, sei dies wichtig. «Wir haben nur einen Körper und in diesem steckt unser ganzes Potenzial. Es ist also unerlässlich, dass wir unsere Spielerinnen optimal auf die physische Belastung vorbereiten. Das bedeutet bei uns: dreimal die Woche Athletiktraining sind Pflicht. Zusätzlich bekommen die Spielerinnen an den anderen Trainingstagen Inputs zu Stabilisation, Koordination und Verletzungsprävention. Wenn eine Spielerin ein Athletiktraining verpasst, so wird dieses am nächsten Tag anstelle des Balltrainings nachgeholt.»

«Beim Landen kann das x-Fache des Körpergewichts auf die Gelenke einwirken. Mit dem Athletiktraining bereiten wir unsere Spielerinnen physisch darauf vor, diesen Belastungen über den langen Zeitraum einer Karriere standhalten zu können.»

Frieder Strohm 

Trainer und Nachwuchsverantwortlicher Frieder Strohm (Foto: CEV)

Der Weg zur Profi-Athletin ist hart. Insbesondere wenn die Schweizer Spielerinnen international bestehen wollen. Harry Gloor betont die Wichtigkeit, dass sich die jungen Spielerinnen international messen. «Unsere Spielerinnen sind gut, aber die internationale Konkurrenz ist gross.» Aus diesem Grund reisen die NNVs während den Schulferien regelmässig ins Ausland. Zu den Destinationen gehören Frankreich, Türkei und Italien. Dort trainieren sie zusammen mit Nachwuchsteams aus Vereinen, die in der Champions League spielen.

Commitment bereits in jungen Jahren 

Ein weiterer Vorteil sieht der Trainer darin, dass sich die Spielerinnen beim Übertritt in ein NNV erneut mit der Frage auseinandersetzen: «Will ich den Weg zur professionellen Volleyballspielerin wirklich gehen?». Eine wichtige Erkenntnis, denn das Commitment, das die Spielerinnen mitbringen müssen, ist immens. «Wir verlangen von jeder Athletin, dass sie die Volleyballausbildung als Priorität ansieht. Sie trainieren fast täglich morgens und nachmittags», erklärt Frieder.

«Wer bei einem NNV dabei ist, der macht eine Ausbildung zur professionellen Volleyballsportlerin. Diese Ausbildung hat zum Ziel, dass die Athletinnen irgendwann als nationale oder internationale Volleyballerinnen ihr Geld verdienen.»

Harry Gloor 

Harald «Harry» Gloor, Trainerausbildungsverantwortlicher im Bereich Leistungssport bei Swiss Volley und Athletinnenbetreuer beim NNV BTV Aarau Volleyball (Foto: BTV Aarau Volleyball)

Um ihren Traum zu erfüllen, ziehen Athletinnen aus der ganzen Schweiz bereits im jungen Alter nach Aarau oder Zürich, wohnen dort in Gastfamilien oder bilden zusammen mit anderen Spielerinnen Wohngemeinschaften. «Wir fordern viel Selbständigkeit von unseren Spielerinnen, unterstützen sie aber auch beim Bewältigen der Anforderungen.» Zu den grössten Herausforderungen zähle, die richtige Balance zwischen volleyballerischer und schulischer Ausbildung zu finden. «Auch wenn die Athletinnen in eine Sportschule gehen, verspüren sie vor allem im ersten Jahr einen gewissen Druck. Wir unterstützen sie dabei so gut es geht und schauen, dass sich dieser Druck nicht negativ auf den Körper auswirkt. Nach einem halben Jahr können sich aber meist alle auf den neuen Rhythmus einstellen.», erklärt Frieder. Doch nicht nur das Commitment der Spielerinnen sei entscheidend: «Auch die Bereitschaft der Eltern ist nötig. Insbesondere wenn der Umzug der Spielerin in die Nähe der NNVs notwendig ist. Das bedeutet für die Eltern, dass sie das Wohlergehen teilweise in die Hände von Trainer:innen, Physios und Ausbildungsverantwortlichen geben», erklärt Harry.

Keine Angst vor Abstieg – keine Perspektive auf Aufstieg

Die NNVs werden in die 1. Liga Meisterschaft integriert, wobei sie von einem Swiss Volley Quotenplatz profitieren. Das bedeutet, sie können weder in die Nationalliga B auf- beziehungsweise noch in die 2. Liga absteigen. Wie verändert sich dadurch der Einsatz der Spielerinnen in den Matches: «Da wir keinen Druck durch die Ab- und Aufstiegsmöglichkeit verspüren, sind wir viel freier in unseren Entscheidungen», erklären die beiden. «Unser Ziel ist ein offensiver Spielstil. Dies Bedarf, dass die Spielerinnen bei einem Angriff auch hart und mutig durchschlagen. Wenn der Ball in einem Match jetzt öfters ins Out geht, wechseln wir die Spielerin aus Angst vor einer Niederlage nicht sofort aus. So können alle Athletinnen wertvolle Wettkampferfahrung sammeln.», so Harry.

«Dass wir in einer Meisterschaft mitspielen und wir die nötige Matchpraxis sammeln können, ist super», meint Frieder, merkt aber auch an: «Wir trainieren zweimal pro Tag mit jungen, motivierten und wissbegierigen Spielerinnen in einem professionellen Umfeld. Die logische Konsequenz davon ist, dass die Spielerinnen nach ihrem zweiten Jahr bei uns in der 1. Liga gut mithalten können. Um aber international wettkampffähige Spielerinnen ausbilden zu können, müssen wir die Spielerinnen im Training und den Matches ständig fordern. Das hat uns auch die Teilnahme an der letztjährigen U19 EM gezeigt. Dort haben wir gegen Teams mit gleichaltrigen Spielerinnen gespielt, die beispielsweise bereits in der serbischen Nationalliga mitspielen.», so der Geschäftsführer des NNV Volleyball Academy in Zürich.  

«Das optimale Szenario für uns wäre, wenn wir zwei NNV-Teams hätten. Das erste Team, bestehend aus den neuen Spielerinnen, würde in die 1. Liga Meisterschaft integriert; das zweite Team, bestehend aus den erfahrenen Spielerinnen, in die Nationalliga B. Im schönsten Fall könnten wir in Zukunft ein drittes Team bilden, das ausbildungsorientiert in der Nationalliga A mitspielt», so die langfristigen Zukunftsgedanken, wenn es nach dem Nationaltrainer ginge.

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Swiss Volley, 06.12.2022

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