Samuel Ehrat löst auf diese Saison hin Julien Carrel als unser NLA-Experte der Männer ab. Aufgrund zeitlicher Einschränkungen kann Julien nicht mehr so nahe an der NLA dran sein, wie er dies in dieser Funktion gerne möchte. Swiss Volley dankt Julien Carrel für seinen grossen Einsatz während der letzten Jahre und ist froh, mit Samuel Ehrat eine optimale Nachfolgelösung gefunden zu haben.
Samuel Ehrat spielte während elf Jahren in der NLA und war ausserdem bis zu seinem Rücktritt 2022 Captain des Schweizer Volleyball Nationalteams. Für das SRF steht er regelmässig als Experte während den Playoff-Entscheidungen und Nationalspielen im Einsatz. Nun schaut «Sämi» für uns auf die bevorstehende NLA-Saison der Männer voraus.
Swiss Volley: Zuerst eine Frage abseits der NLA: Seit zwei Jahren spielst du nun nicht mehr in der höchsten Schweizer Liga – vermisst du die «alten Zeiten»?
Samuel Ehrat: Das Zusammensein mit dem Team oder gewisse Saisonhöhepunkte wie Finalspiele oder Spiele mit der Nationalmannschaft vermisse ich manchmal ein wenig. Allerdings habe ich dank meiner Aufgabe beim SRF das Privileg, gerade bei diesen Höhepunkten in einer etwas entspannteren Rolle am Spielfeldrand dabei sein zu können. Diese Arbeit macht mir grossen Spass, weshalb ich meiner Aktivkarriere wirklich nur sehr selten nachtrauere.
Für das SRF warst du im Sommer während der ersten Tranche der EM-Qualifikation am Kommentieren. Welche Schweizer Spieler haben dich besonders überzeugt und werden auch in der NLA begeistern?
Eine der Überraschungen der Qualifikationsspiele war Fabrice Egger, welcher als Newcomer auf der Zuspieler-Position gleich die meiste Zeit gespielt hat und die Schweiz zweimal zum Sieg führen konnte. Ich bin gespannt, wie er diese Saison mit LUC performen wird. Weiter muss man Lars Migge erwähnen, welcher meiner Meinung nach eine der tragenden Figuren im Schweizer Team war und die Absenz von Luca Ulrich vergessen machen konnte. Lars Migge werden wir jedoch in der NLA schmerzlich vermissen, da er diese Saison den Sprung ins Ausland nach Frankreich wagt.
In dieser Saison werden mit 9 Teams wieder so viele Teams wie zuletzt 2019/2020 antreten. Was sind deine Gedanken hierzu?
Es ist eine positive Entwicklung, dass nun wieder mehr Teams in der obersten Schweizer Liga mitspielen. Der Modus kann so verbessert und die Attraktivität der Liga erhöht werden. Zudem gibt es für junge, ambitionierte Spieler schlicht mehr Möglichkeiten. In dieser Hinsicht ist es auch völlig in Ordnung, wenn es ein gewisses Gefälle innerhalb der Liga gibt. Als junger Spieler kannst du in einem der schwächeren Teams Fuss fassen und dich «hocharbeiten». Der Nachteil ist, dass es für die Topteams mehr «Pflichtaufgaben» geben wird.
Können die drei «Neulinge» aus Colombier, St.Gallen und Sursee mit den arrivierten Teams mithalten?
Die drei neuen Teams werden einen schweren Stand gegenüber den Top-Teams haben. Einzelne Überraschungen kann es natürlich immer geben, allerdings gehe ich davon aus, dass wir diese Teams eher im hinteren Teil der Rangliste auffinden werden. Der Sprung von der NLB in die NLA ist sehr gross in Bezug auf das Leistungsniveau auf, als auch neben dem Feld. Es ist daher gut, wurde der Aufstieg für diese Teams erleichtert und die Anforderungen gesenkt. Als Aufsteiger brauchst du Zeit, dich an diese Gegebenheiten anzupassen und dich in der NLA zu etablieren. Das Beispiel des TSV Jona Volleyball ist meiner Meinung nach ein gutes Beispiel dafür, wie es funktionieren kann.
Was sind deine Gedanken zum neuen Modus bestehend aus Qualifikationsrunde und anschliessender «Champions Round» für die 1.-6.-Platzierten respektive «League Round» für die 7.-9.-Platzierten?
Der Modus ist auf den ersten Blick etwas kompliziert – wenn auch nicht mehr ganz so fest wie noch im letzten Jahr. Allerdings denke ich, dass der Modus mit der «League Round» und der «Champions Round» die Realität der Liga abbildet. Meine Hoffnung ist, dass es in der Qualifikationsrunde einen Kampf um Platz 6 geben wird. Vielleicht kann ja ein Aufsteiger überraschen und schafft gleich den Sprung in die «Champions Round».
Die zwei vergangenen Saisons standen sich jeweils Volley Schönenwerd und Volley Amriswil im Playoff-Final gegenüber. Spricht etwas dagegen, dass dies auch in dieser Saison so sein wird?
Beide Teams werden weiterhin stark auftreten und vorne in der Tabelle mitspielen. Allerdings müssen beide Teams Abgänge arrivierter Spieler verkraften. Bei Schönenwerd wird die Absenz von Luca Ulrich ein grosses Loch hinterlassen. Zudem wirft auch der Positionswechsel von Mischa von Burg von der Mitte auf die Diagonalposition gewisse Fragezeichen auf. Auf der Seite von Amriswil sind dies der bereits erwähnte Lars Migge auf Aussen und der Zuspieler Dima Filippov. Hier wird vor allem entscheidend sein, ob Amriswil einen adäquaten Ersatz für Filippov finden konnte. Mit dem Neuzugang von Ilya Goldrin aus der Bundesliga wird Amriswil auf Aussen weiterhin stark besetzt sein.
Chênois hat in der letzten Saison einen veritablen Absturz mit dem zweitletzten Schlussrang erlebt. Was liegt für die Genfer in dieser Saison drin?
Chênois hat auf diese Saison den Trainer gewechselt. Neu steht Charly Carreno, der bereits einmal bei Chênois Coach war, an der Seitenlinie. Auch im Team gab es mehrere Neuzugänge, so dass es schwierig ist, die Qualität des Kaders abzuschätzen. Ich gehe jedoch davon aus, dass Chênois eher im vorderen Drittel, vielleicht sogar um einen Titel mitspielen wird.
Ein Team, welches in den letzten sieben Saisons schwer einzuschätzen war, ist Lausanne UC. Zweimal Meister, einmal Bronze, dreimal Mittelfeld und einmal der zweitletzte Schlussrang. Wo siehst du die Westschweizer aktuell?
Für mich ist Lausanne auch in diesem Jahr schwierig einzuschätzen. Sie müssen auf der einen Seite einige gewichtige Abgänge, wie jenen des letztjährigen MVP Manual Balague, verkraften. Auf der anderen Seite bleiben ihnen diverse Schweizer Spieler erhalten, welche für den Charakter der Mannschaft sehr wichtig sind und sich bei LUC weiter entwickeln werden. Ein Beispiel dafür ist der bereits erwähnte Nati-Passeur Fabrice Egger. Ich vermute, dass sich LUC im vorderen Mittelfeld aufhalten wird.
Ein Team, welches du nur zu gut kennst, hat aktuell Mühe, an die Erfolge alter Zeiten anzuknüpfen. Was traust du Volley Näfels zu?
Näfels musste in den letzten Saisons kleinere Brötchen backen, als dies früher der Fall war. Sofern nicht ein grösserer Sponsor bei Näfels einsteigt, wird dies wohl auch in Zukunft weiter der Fall sein. Allerdings sagt das Budget einer Mannschaft auch nicht alles aus. Mit einem guten Händchen am Transfermarkt kann auch ein kleineres Team überraschen. Ich sehe Näfels diese Saison in der Liga eher im Mittelfeld. Einen Exploit im Cup mit etwas Losglück traue ich ihnen aber durchaus zu.
Der TSV Jona Volleyball klassierte sich zuletzt am Tabellenende. Geht es für die Joner vor allem darum, die drei Aufsteiger in Schach zu halten, oder richtet sich ihr Blick nach vorne?
Aktuell sehe ich Jona auf diesem sechsten Platz, der die Qualifikation für die «Champions Round» bedeutet. Jona hat einen guten Mix aus sehr jungen Talenten und einigen Spielern, die doch schon einige Erfahrungen aus der höchsten Liga mitbringen, wie Ramon Caviezel oder der ex-Näfelser Nico Süess. Dennoch sehe ich Näfels und Lausanne etwas vor Jona, wenn auch nicht viel.
Zum Schluss noch drei ganz kurze Fragen:
Wer gewinnt den ersten Titel der Saison am Supercup zwischen Volley Schönenwerd und Volley Amriswil?
Volley Schönenwerd
Welches Team holt sich welche Medaille in der NLA?
Amriswil wird Meister. Der Cup ist wie immer eine Lotterie. Ich tippe mal auf Chênois.
Welche drei Teams verpassen die «Champions Round»?
Die drei Aufsteiger: Colombier, St. Gallen und Sursee
Swiss Volley, 24.09.2024