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«Mein persönliches Highlight als Schiri ist es, wenn sich die Teams freuen, wenn ich die Halle betrete.»

Während der #WeekoftheReferee dreht sich alles um die Unparteiischen. Jolanda Birrer ist Schiedsrichterin mit Leidenschaft, trotz ihres gelähmten rechten Armes. Wie sie das vereinbart und was es für sie bedeutet, Schiri zu sein, erklärt sie folgend.

Licht brennt abends in der Aarburger Halle. Das Netz ist vorbereitet, der Schiribock steht und Jolanda ist bereits in der Halle. Geschickt bindet sie sich die Schuhe mit ihrem linken Arm und der Mithilfe ihrer Füsse. Ihren rechten Arm kann sie seit dem Motorrad-Unfall, den sie im Alter von 20 Jahren erlitt, nicht mehr bewegen. Das hindert sie jedoch keinesfalls in ihrer Schiri-Tätigkeit. Sie kontrolliert den Matchball auf den Luftdruck, das Netz auf dessen Höhe und widmet sich bereits dem Ausfüllen des Matchblatts.

«Warum ich Schiri werden wollte, ist eine gute Frage. Vielleicht war der Auslöser, dass ich bereits als Kind mit meiner Mutter mitging, wenn sie Spiele leitete. Jahre später übernahm ich die Spiele für sie in der Plauschliga des Innerschweizer Turnverbands, als sie aufgrund eines Schlaganfalls ausfiel»

sagt Jolanda.

Die Spieler trudeln einer nach dem anderen in die Halle zum Aargauer Cupspiel ein. Viele machen den Umweg zum Schreiberpult und begrüssen Jolanda mit Namen. Sie spricht mit Spielern beider Teams, von denen sie viele schon jahrelang kennt und tauscht Neuigkeiten aus. Als es schliesslich an das Kontrollieren der Spieler geht, kann sie die Gesichter auf den IDs mühelos den anwesenden Spielern zuordnen.

«Da ich erst spät begonnen habe, in den Ligen zu pfeifen, hatte ich schon eine gewisse Lebenserfahrung, die mir geholfen hat, mit negativen Erfahrungen umzugehen. Heute trage ich einen Schildkröten-Panzer am Rücken und gehe in den meisten Fällen glücklich nach Hause. Negative Momente lasse ich dann in der Turnhalle stehen und versuche daraus zu lernen»

antwortet Jolanda auf die Frage, ob sie bereits negative Erfahrung erlebt hat.

Die Spieler stellen sich auf, es wird ernst. Jolanda klettert auf den Schiribock und mit einem Pfiff geht es los. Fokussiert verfolgt sie jeden Ball und entscheidet geübt über Fehler. Während des Spiels lässt Jolanda Emotionen auf dem Spielfeld zu. Die zweite Schiedsrichterin und sie leiten das hart umkämpfte Spiel souverän.

«Ich denke, die meisten Konflikte zwischen Schiris und Spieler:innen entstehen, da ein Spielzug aus verschiedenen Winkeln betrachtet wird. Es gibt immer eine andere Meinung als jene des Schiris. Manchmal wird wahrscheinlich auch vergessen, dass wir innert kürzester Zeit entscheiden müssen, ob ein Ball «in» oder «out» war.»

Auch in turbulenten Situationen weiss Jolanda genau, wie sie handeln muss: 

«In den letzten zwei Jahren habe ich mehr Aggressionen auf dem Spielfeld wahrgenommen, die von gegenseitigen Provokationen oder der Unzufriedenheit der Coaches ausgehen. Ich versuche dann, das Spiel zu beruhigen, indem ich die Captains zu mir rufe und ihnen erkläre, dass wir alle hier sind, um Volleyball zu spielen und ich mich freue über ein spannendes und faires Spiel.»

Vier Sätze pfeift Jolanda das Cupspiel, unterstützt durch die zweite Schiedsrichterin, die Schreiberin und Täfelerin. Das 2. Liga-Team dominiert schliesslich das 3. Liga-Team und sichert sich den Einzug in die nächste Runde des Cups. Böse Luft ist keine da, es wird abgeklatscht und sich bei den Schiris bedankt.

«Mein persönliches Highlight als Schiri ist es, wenn sich die Teams freuen, wenn ich die Halle betrete und ich nach dem Spiel zufrieden nach Hause gehen kann.»

Nach dem Spiel ist es schon halb zehn Uhr abends. Das Netz wird abgebaut und Jolanda verabschiedet sich von den Spielern. Sie zieht sich um und geht ohne Eile zu ihrem Auto, um nach Hause zu fahren. Bevor Jolanda sich auf ihren Weg nach Hause macht, möchte sie allen Volleyballer:innen noch etwas mitgeben: 

« Schiri sein bietet ein extrem grosses Lernfeld, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Beispielsweise in der in Kommunikation, der Teamarbeit, im Konfliktmanagement, im Entscheidungen treffen und in der Führung. Go for it!»

Swiss Volley, 25.10.2024

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