Laura Unternährer will sich auch an der Côte d’Azur durchsetzen

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Momentan spielen gleich drei Schweizer Volleyballerinnen und ein Volleyballer als Profi im Ausland. So auch Laura Unternährer, die nach sieben Jahren bei Volero Zürich den Wechsel nach Cannes gewagt hat. Die 25-jährige Angreiferin versucht, sich beim Spitzenklub Volero Le Cannet durchzusetzen.

Cannes weist im Januar durchschnittlich viermal mehr Sonnenstunden auf als Zürich – und bestätigt an diesem herrlichen Montag die Statistik: Menschen mit Sonnenbrillen promenieren dem Meer entlang oder sitzen unter Palmen. Dabei ist es Winter und abends kann es durchaus empfindlich kalt werden. Aber Heizstrahler gehören hier zur Ausrüstung wie das Netz zum Volleyball. Womit wir beim Thema wären: Für die Schweizer Volleyballerin Laura Unternährer ist diese inspirierende Mittelmeerdestination der neue Lebensmittelpunkt geworden. Sie bestreitet bereits ihre achte Saison als Profi und ist damit eine Art Vorreiterin geworden – denn nebst ihr haben Laura Künzler (Vilsbiburg) und Maja Storck (Aachen) in Deutschland und Reto Giger (Radom) in Polen den Sprung als Profi ins Ausland geschafft.

Durchgetakteter Profialltag

«Mir passt das Leben hier, das schöne Wetter, das Meer. Das ist halt schon motivierender, wenn man aus dem Training kommt und die Sonne scheint», meint Laura Unternährer. Auch die Unterkunft trägt zur entspannten Atmosphäre bei: Der Klub stellt den Spielerinnen ein eigenes Appartement zur Verfügung, in der Ferienresidenz «Pierre-Vacances», wo in den Sommermonaten Hunderte von Touristinnen und Touristen für Hochbetrieb sorgen werden. Pinien säumen die schmucke Anlage, angrenzend an Yachthafen und Golfplatz. 

Der Alltag eines Volleyballprofis – und spätestens jetzt verlassen wir die Ebene des klischeehaften Vie douce – ist voll durchgetaktet. Normalerweise steht Laura Unternährer um 7.30 auf, nimmt sich Zeit für Frühstück und die Heimatkontakte, ehe sie mit dem Klubauto zum Morgentraining oder zum Kraftraum fährt. In der Mittagspause geht’s zurück in die Residenz, wo sie sich etwas kocht. Heute reicht die Zeit gar zu einem mehrgängigen Menü à la française: Pilzsuppe und Pasta vom Vortag, eine frische Rübe, Reisschnitten mit Avocado und Humus. Und als Krönung ein Stück Schweizer Schokolade. «Natürlich nicht zuviel...», schmunzelt sie, «denn schliesslich müssen wir jede Woche zur Kontrolle auf die Waage stehen.»

Erholungszeit zentral

Dann folgt das Nachmittagstraining im Gymnase Maillan, ein in die Jahre gekommener Zweckbau, die Wände aufgepeppt mit überlebensgrossen Plakaten aller Spielerinnen, im traditionellen Volero-Violett gehalten. Einen grossen Vorteil hat die nicht mehr zeitgemässe Halle: der hölzerne Parkettboden ist bei den Volleyballerinnen wegen der federnden Katapultwirkung sehr beliebt.

Nach dem zweiten Training ist der Arbeitstag aber noch nicht beendet. Der Erholungszeit am Abend kommt eine grosse Bedeutung zu – gerade für die Schweizerin, die früher kaum einmal verletzt war, sich jetzt aber seit längerem mit zwei körperlichen Einschränkungen herumschlug. Da plagte sie zum einen seit fast vier Jahren eine hartnäckige Verletzung in der Schlagarmschulter: und kaum hatte sie dieses Problem dank Akupunktur einigermassen in den Griff bekommen, erlitt sie in der Vorbereitung mit Le Cannet einen Riss beim Muskelansatz im Oberschenkel.

Erholungszeit ist also ein zentrales Element in der Tagesgestaltung, denn die körperliche Belastung ist enorm. Le Cannet hat vor Kurzem an der Klubweltmeisterschaft in China teilgenommen, war im Cup und ist noch immer in der Meisterschaft und im Europacup engagiert.

Captain kämpft um einen Stammplatz

Laura Unternährer ist Captain bei Le Cannet, was allerdings keine Stammplatzgarantie ist, nicht nur wegen der Verletzungen. Mit ihren 179 cm ist sie zwar im Alltagsleben eine grosse Frau, im Vergleich zu den Angriffsgrössen auf dem Feld hingegen gehört sie zu den Kleinsten. Und die interne Konkurrenz in dem jungen Team, wo neun Nationalitäten vertreten sind, ist gross. Ihr Ziel für den Rest der Saison ist einfach zu umreissen: «Ich möchte so oft wie möglich spielen. Dafür kämpfe ich und trainiere ich so hart, wie es nur geht, mehr kann ich nicht machen.»

Fragezeichen Nationalteam

Diese positive Grundhaltung der aus Reconvilier stammenden Jurassierin ist eine gute Voraussetzung dafür, dass die Sonne für sie in Le Cannet, wo ihr Einjahresvertrag im Frühling abläuft, auch nächste Saison noch scheinen wird.

Beim Thema Nationalteam ist allerdings etwas Stirnrunzeln angesagt. Als sich am 9. Januar die Schweizer Volleyballerinnen in Schönenwerd wegen der erstmalig geschafften EM- Qualifikation um den Hals fielen, fehlte Laura Unternährer. Nationaltrainer Timo Lippuner hatte sich bereits Anfang 2018 intensiv um sie bemüht, aber wegen dem Umzug nach Cannes, der Schulterverletzung und einer anders geplanten Saisonvorbereitung sagte sie ab.

Jetzt hat ihr Swiss Volley signalisiert, dass ihr die Tür für die EM Ende August allenfalls offen stünde. «Es ist grossartig, was das Nationalteam geschafft hat und ich freue mich sehr für das junge Team. Ich habe eigentlich dem Verband schon im Sommer den Rücktritt aus dem Nationalteam kommuniziert, obwohl mir das nicht leichtgefallen ist und ich diesbezüglich sehr unsicher war. Und vielleicht wäre es dem jungen Team gegenüber auch nicht ganz richtig, jetzt wieder zurückzukehren», meint Laura, die auch dem Privatleben mehr Priorität einräumen will: Auf anfangs September ist die Heirat geplant, also mitten in der Endphase der Europameisterschaft. Laura Unternährer und das Nationalteam – eine verzwickte Sache. 

Wie gefällt dir das Leben an der Côte d’Azur?

Mir gefällt es sehr gut, die Mentalität, die Sonne, auch dass ich viel Französisch sprechen kann. Und ich habe hier sehr gute Bedingungen – so wie bei Volero früher. Und trotzdem kann ich einiges mehr sparen als in der Schweiz, obwohl ich hier das Leben schon geniesse: Ich gehe in Restaurants, zum Shopping und mache alles was Frauen gerne machen...

Was ist hier anders im Vergleich zum Meisterschaftsalltag zur Schweiz?

Das Niveau ist sicher einiges höher, vor allem die vorderen Teams können sich alle fordern, da gibt es keine leichten Siege. Bei der Spielvorbereitung gibt es auch grosse Unterschiede. Zu den Auswärtsspielen reisen wir immer am Vortag an, entweder mit dem Auto, dem grossen Volero-Bus oder per Flugzeug. Dann wird am Morgen in der Spielhalle trainiert. Dadurch wird schon früh der Fokus auf das Spiel gelegt. Der Ablauf ist vergleichbar mit der Vorbereitung auf die Champions League Spiele früher mit Volero Zürich.

Du plagtest dich zuletzt mit Verletzungen herum und kamst nur sporadisch zum Spielen.

Ja, seit fast vier Jahren hatte ich immer wieder Probleme mit meiner Schulter. Zeitweise sah ich nur noch Sterne vor Schmerzen, wenn ich den Ball smashte. Kortison wollte ich möglichst nicht nehmen, da ich diese chronische Entzündung ohne Chemie wegbringen wollte. Mit der Umstellung der Physiotherapie und mit Hilfe von Elektrotherapie und Akupunktur habe ich das jetzt einigermassen in den Griff bekommen. Und dann erlitt ich in der Vorbereitung einen Riss beim Muskelansatz im linken Oberschenkel. Mittels Eigenblut-Injektionen konnte die Heilung beschleunigt werden und jetzt fühle ich mich seit langem endlich wieder einmal so fit, dass ich nicht mehr gehemmt bin und dauernd an die Verletzungen denke. Das hat viel Geduld gebraucht.

Du bist mit 25 bereits eine der erfahrensten Spielerinnen und auch Captain des Teams. Wie erlebst du diese Rolle?

Es ist cool für mich, dass ich hier Captain sein darf. Das Team wurde ja neu zusammengestellt und da hatte ich vor der Saison wirklich viel zu tun: den neuen Spielerinnen helfen, ihnen alles erklären. Nach den Heimspielen ist es für mich und die anderen Spielerinnen jeweils Pflicht, sich am Sponsoren-Apéro zu zeigen. Und dann bin ich auch die Verbindungsperson zum Trainer und zur Kluborganisation, wo mir das Französisch zugutekommt. Als Captain habe ich also auch Aufgaben neben dem Feld.

Du bist Captain, stehst aber öfters nicht in der Startsechs. Wie gehst du damit um?

Es gehört zum Profialltag, dass man nicht immer spielt. Aber ich muss für diesen Moment, wo ich eingewechselt werde, einfach jederzeit voll bereit sein und voller Vertrauen reingehen, um die Chance packen zu können. Das ist nicht einfach, aber dennoch versuche ich, mich deswegen nicht speziell unter Druck zu setzen. Und ich will auch keine Energie an die Frage verschwenden, warum mich der Trainer nicht immer von Anfang an aufstellt. Das ist seine Entscheidung, die ich einfach akzeptieren muss.

Da ist also mentale Stärke gefragt. Wie schätzt du dich diesbezüglich ein?

Ja, das Mentale ist nebst dem Spielerischen ein wichtiges Element, was die Gesamtleistung ausmacht. In mentaler Hinsicht habe ich bei Volero Zürich sehr viel gelernt und ich bin sehr dankbar für die harte Schule, die ich dort durchlief. Am Anfang war ich in dieser Hinsicht sehr schwach, habe viel geweint, mir zu viele Gedanken gemacht. Mit der Zeit konnte ich mir dann eine Schutzhaut zulegen. Das kommt mir heutzutage zugute.

Du bist 25 Jahre alt und bereits in der 8. Saison Volleyballprofi. Machst du dir auch Zukunftsgedanken für nach der Sportkarriere?

So ganz konkrete Pläne habe ich nicht. Es gibt aber einige Projekte, die ich im Kopf habe. Ich bin interessiert an Marketing, Kommunikation, Ernährung, Mentalcoaching. Auch habe ich ein Internet-Projekt, das ich momentan vorantreibe. Etwas mit Fotos und Schreiben. Ich erlebe ja so viel Spezielles und fotografiere häufig. Momentan ist Volleyballspielen mein Beruf und später wird sich schon was ergeben, da gibt es viele Möglichkeiten. 

©Swiss Volley by Andreas Eisenring (Fotos: Andreas Eisenring)

Derbyfrust für Laura Unternährer in Cannes 
Am 19.01.2019 kam es zu dem mit Spannung erwarteten Derby von Volero Le Cannet gegen den Racing Club de Cannes, dem Dritt- gegen den Zweitplazierten, das mit 3:1 verdient an die kompakter aufspielenden Gäste ging.