Adi Gumann – «Im Gegensatz zu den Spielern kann ein Schiri nicht ausgewechselt werden»

Adi Gumann ist einer von 1384 Schiedsrichtern, welche in der Schweiz Volleyballspiele leiten. Am 15. März 2020 pfeift Adi nach 25 Jahren Schiedsrichtertätigkeit sein letztes Spiel. Wieso er früher selber einmal ein fast vierstündiges Volleyballspiel gespielt hat, mit welchen Tricks die Spielerinnen und Spieler versuchen, ihn während eines Spiels zu beeinflussen und wie viele gelbe Karten er in seiner Karriere bereits verteilt hat, erfährst du im Portrait.

Adi hat gerade ein 3. Liga Spiel der Frauen zwischen dem VC Los Unidos und dem VBC Lostorf gepfiffen, als ich ihn zum Interview treffe. Er wirkt zufrieden und bestätigt diesen Eindruck auch: «Nach einem Spiel bin ich zufrieden, wenn sich niemand aufgeregt hat und alles friedlich verlaufen ist, dies war soeben der Fall», so der 54-jährige Aargauer. Im Grossen und Ganzen hat Adi bei den Meisten Spielen überhaupt keine Probleme. Dabei hilft ihm nebst der 25-jährigen Erfahrung sicherlich auch sein mit fast 2 Metern Körpergrösse imposantes Erscheinungsbild. 

Schiedsrichter aus Leidenschaft

Adi arbeitet als Personaleinsatzplaner bei der SBB und ist ausserdem auch selber als Kundenbegleiter in den Zügen im Raum Zürich anzutreffen. Bis zur Saison 2018/19 pfiff er noch bis hoch zur 1. Liga Volleyballspiele, in dieser Saison ist Adi als Schiedsrichter bis zur 2. Liga im Einsatz. Früher spielte der Kellerämter selber aktiv Volleyball. Beim TV Lunkhofen stand er von der 4. bis zur 1. Liga als Spieler auf dem Feld. Als Adi dann angefragt wurde, ob er nicht Lust hätte, als Schiedsrichter im Einsatz zu stehen, sagte dieser zu. Den Ausschlag dazu gab seine Verbundenheit zum Sport. Schon beim ersten Einsatz hat er gemerkt, dass ihm die Tätigkeit Spass macht und eine gewisse Befriedigung da ist, wenn ein Spiel gut läuft. An sein erstes Spiel als Spielleiter im Jahr 1994 erinnert sich der Aargauer denn auch noch genau: «Das war ein Match der 4. Liga Frauen in Seengen. Ich war extrem nervös, am Ende ist aber alles gut gegangen», so Adi zu seinem Debut. 

Volleyball im Wandel

Seit dem ersten Einsatz in Seengen sind unglaubliche 25 Jahre vergangen. Eine lange Zeit, in der sich der Sport, aber auch das Schiedsrichterwesen stark verändert haben. Adi hat selber noch unter der alten Zählweise gespielt, wo nur das Team, welches Aufschlag hatte, einen Punkt erzielen konnte. So ist es tatsächlich einmal passiert, dass er ein Match gespielt hat, welches beinahe vier Stunden gedauert hat! Adi zu diesem Marathonmatch: «Das war schon sehr komisch, wir waren gegen Ende alle völlig platt. Um uns etwas längere Erholungspausen zwischen den Ballwechseln zu verschaffen, sind wir nach jedem Punkt immer extra mit dem Schiedsrichter diskutieren gegangen», lacht Adi. Aber nicht nur regeltechnisch hat sich der Volleyballsport weiterentwickelt, der Sport sei auch populärer geworden und die Anerkennung für die Schiedsrichter gestiegen. «Im Volleyball haben es die Schiedsrichter im Vergleich zu anderen Sportarten gut. Wirklich heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Team und dem Schiedsrichter sind zum Glück sehr selten. Für die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter werde heute auch mehr gemacht als früher, wie z.B. die «week of the referee» oder die Unterstützung durch die Regionalverbände.

«In den Gesichtern der Spielerinnen und Spieler sieht man am besten, ob ein Blocktouch da war»

Die Anerkennung für die Tätigkeit als Schiedsrichter ist für Adi aber nur sekundär. Er hat ganz einfach Freude daran, Spiele zu leiten. Besonders motivierend sind die Momente nach dem Spiel, wenn die Spieler Adi die Hand schütteln und sagen, er habe gut gepfiffen – umso schöner natürlich, wenn das Kompliment von der Verlierermannschaft komme, meint Adi schmunzelnd. Nach 25 Jahren als Schiedsrichter kennt dieser natürlich so einige Tricks der Spielerinnen und Spieler, wie diese die Schiedsrichter zu beeinflussen versuchen: «Der Klassiker ist natürlich ein Out-Ruf, obwohl der Ball drin ist. Vor allem in den unteren Ligen lohnt es sich bei einem umstrittenen Entscheid, auf die Reaktion der Teams zu achten. In den Gesichtern der Spieler sieht man am besten, ob ein Blocktouch oder eine Netzberührung vorhanden war oder ob der Ball die Linie noch berührt hat», sagt Adi.

Busse für die Tochter und 1 gelbe Karte pro 12.5 Jahre

Dass sich die Teams ihre Tricks bei Adi aber sparen können, zeigt dieses Beispiel: Neulich spielte Adis 18-jährige Tochter in Oberlunkhofen ihr erstes Spiel der Saison – mit ihrem Papi als Schiedsrichter. Da diese das Foto für die Lizenz vergessen hatte, musste sie sich mit der Identitätskarte ausweisen und spielte ohne gültige Lizenz, was eine Busse von 30 Franken bedeutet. Da halfen auch die «ach komm schon Papi, du weisst doch, wer ich bin»-Bitten des eigenen Nachwuchses nichts. Ansonsten zeigt sich der Lunkhofer in Bezug auf Sanktionen äusserst zurückhaltend. In 25 Jahren als Schiedsrichter zückte er nur zweimal eine gelbe Karte! Nur einmal ist es selbst dem gutmütigen Adi zu bunt geworden: Als ein Zuschauer jeden Punkt – egal für welches Team – lautstark und primitiv kommentieren musste, beorderte Adi den Captain zu sich und teilte diesem mit, dass entweder der Zuschauer die Halle sofort verlassen solle oder er das Spiel abbrechen würde. Wie regelkonform diese Massnahme war, sei dahingestellt, so viel sei aber erzählt: Das Spiel wurde erfolgreich zu Ende gespielt…

Ein allerletztes Mal…

15. März 2020 – diesen Tag dürfte sich Adi dick in die Agenda eingetragen haben. Denn dann steigt er ein allerletztes Mal auf den «Schiri-Bock», zu Hause in Oberlunkhofen, in «seiner» Halle. Es sei einfach Zeit geworden, auch einmal etwas Anderes zu machen, erklärt Adi seinen Entscheid. Zeit, die er für Wandern, einfach mal zu Hause sein oder Jassen mit seinen Geschwistern verbringen möchte. Zum Schluss hat Adi noch eine Message an die Spielerinnen und Spieler: «Respektiert die Schiedsrichter. Auch ein Schiri hat mal einen schlechten Tag und merkt selber, dass er einen Seich gepfiffen hat. Im Gegensatz zu einem Spieler kann man den Schiri aber nicht auswechseln. Habt einfach Freude am Volleyball, denn es ist schöner und fairer Sport».