We are family – Joana und Adrian Heidrich

In der Sommerserie 2018 nimmt Swiss Volley die Geschwisterpaare im Schweizer Beachvolleyball-Nationalkader etwas genauer unter die Lupe. Den Anfang macht ein «hervorragendes» Duo: Joana und Adrian Heidrich stechen jedoch nicht nur wegen ihrer Körpergrösse, sondern vor allem wegen ihren sportlichen Topleistungen aus der Masse hervor. Die beiden Klotener über Podestplätze auf der World Tour, Körperkult, Online-Shopping und das gemeinsame WG-Leben in Bern.

«Die Silbermedaille und vor allem die vier in Serie gewonnenen Tiebreaks gegen Topteams haben uns viel Selbstvertrauen gegeben», sagt Joana Heidrich nach ihrer Rückkehr vom Viersterne-Turnier in Itapema. «Der Saisonstart von Anouk und mir war durchzogen und langsam sind Zweifel aufgekommen, insbesondere nach dem erfolgreichen letzten Jahr. Doch genau an unsere Spielweise und Unbeschwertheit von damals haben wir uns erinnert, und es ist aufgegangen.» Es sei schön gewesen, in das Land zurückzukehren, wo sie 2016 an der Seite von Nadine Zumkehr bei den Olympischen Spielen mit Rang 5 so erfolgreich war. «Die Fans haben mich erkannt und es kamen Erinnerungen hoch, aber mein Fokus ist ganz im Hier und Jetzt», sagt Joana. Ihr jüngerer Bruder Adrian feierte seinen grössten internationalen Erfolg vor ein paar Wochen beim Dreisterne-Heimturnier in Luzern, wo er mit Mirco Gerson Rang 3 belegte. Für ihn ist es das erste Podest auf der World Tour: «Das ist cool, ein spezielles Glücksgefühl. Am Ende eines Turniers auf dem Treppchen zu stehen, macht immer Freude, aber die Medaille von Luzern ist ein Stück grösser als alle anderen, die ich habe», lacht er.

Wertvolle Tipps von der grossen Schwester

Das neu formierte Männerduo Gerson/Heidrich konnte an den ersten Turnieren der neuen Saison ebenfalls noch nicht brillieren. Nach einem guten Auftritt an der Coop Beachtour in Zürich schafften die beiden aber mit Rang 9 beim Viersterne-Turnier in Xiamen und Rang 4 beim Dreisterne-Turnier in Mersin – beide Male als Qualifikanten – auch international Erfolgserlebnisse. «2017 war für uns beide mit anderen Partnern enorm schwierig, wir waren nah dran, den Bettel hinzuschmeissen», sagt der 23-Jährige, der erst mit 14 Jahren zum Volleyball kam, natürlich durch Joana. Davor hatte er Unihockey und Handball gespielt. Nach einem Sichtungstraining von Swiss Volley 2009 wurde er aber konsequent gefördert und landete nach einigen Jahren beim VBC Züri Unterland 2012 bei Volley Amriswil in der NLA. Doch Adi wollte wie auch seine grosse Schwester im Sand Karriere machen, seit zwei Jahren ist er Profi. «Urs Winteler hat mich als Trainer in meinen Anfangsjahren stark geprägt. Phil Dalhausser gehört als Spielertyp zu meinen Vorbildern und 2016 in den USA gegen ihn zu spielen war die Erfüllung eines Traums», sagt der Zürcher Unterländer und fügt an: «Punkto Werdegang und Erfolge ist mir aber auch Joana ein gutes Beispiel.» Ist es Fluch oder Segen, der jüngere Bruder einer erfolgreichen Spielerin der World Tour zu sein? «Mich stört das überhaupt nicht. Joana hat mir früher viele Tipps gegeben und heute tauschen wir uns gerne aus. Xiamen war seit langem das erste Turnier, wo wir uns gegenseitig live unterstützen konnten, das war toll.» Finanziellen Support erhält das neue Team von der Sporthilfe und dem Getränkehersteller Venga als Hauptsponsor. «Und auch die United School of Sport, die auch Joana besucht hatte, unterstützt mich immer noch», ergänzt Adi.

Gut betreut in allen Belangen

Joana begann mit 13 Jahren beim VBC Züri Unterland mit Volleyball und wechselte 2006 als zu Kanti Schaffhausen. Ihr Debut auf der Beachvolleyball World Tour folgte 2010, seither gab es zwei Siege und sechs weitere Podestplätze sowie U21 WM-Gold 2011. Und natürlich eben die Viertelfinals bei Olympia 2016, wo das stimmungsvolle Beachvolleyball zu den absoluten Publikumshighlights zählten. Inzwischen wird das Duo Heidrich/Vergé-Dépré von einer professionellen Agentur erfolgreich vermarktet. «Wir sind für Sponsoren wohl attraktiv, weil wir zwei unterschiedliche Typen sind, auch wenn wir beide blaue Augen haben,» schmunzelt die 26-Jährige und fügt an: «Ich bin enorm dankbar, dass ich heute vom Beachvolleyball leben kann, das war immer das Ziel». Das Profi-Leben bringe aber auch Verpflichtungen mit sich, viel zu investieren gehöre in diesem Bereich genauso dazu wie im Training. Dort wird sie vom Trio Christoph Dieckmann, Florian Karl und Sebastian Beck betreut. Vor allem letzterer habe sie bisher am meisten geprägt: «Sebi war als Spieler wohl ein ähnlicher Typ wie ich, sehr emotional. Er kennt mich gut, versteht mich und schafft es als Trainer immer wieder, mich spielerisch und mental an meine Grenzen zu bringen.» Körperlich nennt sie – übrigens genauso wie ihr Bruder – den Rücken und die Schulter als die Bereiche, wo am meisten Extrabehandlung wie Physiotherapie anstehen. Mental habe sie schon viele Fortschritte gemacht, aber auch noch Potenzial. Dort arbeitet das Duo seit langem mit Lothar Linz und neuerdings auch mit Viviane Scherler zusammen. «Wir wollten auch noch eine Frau im Team», schmunzelt die 1.90 Meter grosse Frau, die sich in der wenigen freien Zeit gerne mit Freunden trifft, Musik hört oder ein Buch liest – aktuell gerade von Jojo Moyes. Der Körperkult auf der Tour ist für sie kein Problem. «Für uns ist es das normalste der Welt, bei warmem Wetter ohne viele Kleider zu spielen. Unser Ziel ist, den weissen Abdruck des Tops auf der Haut möglichst klein zu halten», sagt Joana lachend.

Die Heidrichs – eine grosse Familie

Die Familie hat für beide Heidrichs einen hohen Stellenwert. «Ich kann in Kloten bei meiner Mutter und in der Natur wunderbar abschalten. Die Familie ist mein Ruhepol und gibt mir Halt», sagt Joana. Und auch Adrian verbringt immer wieder gerne Zeit zu Hause: «Die Familie ist ein grosser Rückhalt, meine Eltern haben mich immer unterstützt, gerade auch als es darum ging, den Schritt in den Spitzensport zu wagen.» Weitere Gemeinsamkeiten gibt es genug, ehrgeizig und hilfsbereit seien sie beide. Und Joana und Adrian verstanden sich schon als Kinder gut miteinander. Wenig überraschend, dass sie nun in Bern gemeinsam in einer WG wohnen. «Das klappt gut, wir kennen uns ja schon lange, und ich bin froh können wir auch mal über etwas anderes sprechen als unseren Sport», sagt Joana. «Es gibt aber böse Blicke von ihr, wenn ich nicht gesund esse», kontert Adi.

Die Heidrichs zählen wohl zu den grössten Geschwistern der Schweiz. Florian, mit 28 Jahren der Älteste des Trios, misst 1.97 Meter, und setzt nach einer Karriere im Volleyball nun aufs Studium. Auf der World Tour machen ihnen höchstens die Deutschen Kira (1.84m) und Alexander (2.06m) Walkenhorst Konkurrenz. Insbesondere die langen Reisen sind darum eine Herausforderung. «Ab vier Stunden Flug leiste ich mir einen Exit-Seat, aber manchmal sind die eben schon ausgebucht, und für den Standard-Ecositz bin ich wohl auch zu breit», sagt Adi, der mit Schuhgrösse 49 auch nicht in jedem beliebigen Geschäft einen passenden Schuh findet. Genau wie seine Schwester für die langen Hosen setzt er darum aufs Online-Shopping. «Unterdessen wissen wir, wo wir online die passenden Teile erhalten», sagt Joana, «und es spart Zeit».

Olten und Gstaad auf dem Weg nach Tokyo

Was eines Tages nach dem Sport folgen könnte, steht in den Sternen. Während sich Joana vorstellen könnte, im Bereich Physiotherapie eine Ausbildung zu machen, ist Adrian eher technisch begabt. Zuletzt plante und baute er mit seinem Bruder grosse Hochbeete für den Garten seiner Mutter, Auch schon war es ein Couchtisch aus Holz. «Ich bin handwerklich sicher nicht unbegabt, und es ist ein schöner Ausgleich». Aktuell ist der Fokus aber im Sand: Am Wochenende starten beide Heidrichs am der Coop Beachtour in Olten. Danach geht es international weiter, bis dann ab dem 10. Juli das Highlight in Gstaad auf dem Programm steht. «Wenn es weiter so gut läuft, werde ich mit Mirco erstmals im Main Draw spielen», freut sich Adi. Joana visiert nach dem Rang 4 2017 einen Platz auf dem Treppchen an. «In Gstaad pushen uns die Fans immer zu Topleistungen. Das grosse Saisonziel ist aber der Halbfinal an der EM in Holland gleich danach.» Langfristig arbeiten Joana und Adrian Heidrich auf die Olympischen Spiele in Tokyo 2020 hin. Und wer weiss … Gab es schon mal Schweizer Geschwister, die an den gleichen Sommerspielen eine Medaille gewannen?

Wer…

Joana

Adrian

… ist Frühaufsteher?

Ich.

Wenn, dann sie ...

… ist der grössere Chaot?

Er.

Wohl ich ...

… kocht besser?

Ich.

Ich koche nur ein einziges Gericht wirklich gut.

… braucht länger vor dem Spiegel?

Ich.

Sie.

… parkt besser?

Ich.

Sie, ich habe kein Auto ...

… ist pünktlicher?

Ich.

Oh das ist nicht meine Stärke ...

… hängt öfter am Handy?

Ich.

Sie.