Seite 12 - SVM_2012-2_web_de

Basic HTML-Version

12
J u n i 02
|
2 0 12
Melanie Gamma
Es ist ein historischer Moment, als Samuel
Ehrat zur Grundlinie schreitet. Er trägt das
Schweizer Nationaldress, wirft den Ball
hoch, serviert. Endlich ist der Augenblick
da: Die Schweiz trägt zum ersten Mal seit
1999 ein «richtiges» Länderspiel aus. In der
ersten Runde der EM-Qualifikation heisst
der Gegner Kroatien. Samuel Ehrats Service
können die Kroaten annehmen, ihr Angriff
landet jedoch im Schweizer Block – es steht
1:0, ein guter Start. Das Publikum jubelt.
1830 Menschen wollen das Duell Schweiz
gegen Kroatien sehen, die neu gebaute Bur-
kertsmatthalle in Widen ist ausverkauft. Der
Speaker animiert die Fans zum Mitklatschen,
die Stimmung ist volksfestmässig.
Akribische Vorbereitung auf
das Highlight
In der Vorbereitung auf das geschichts-
trächtige Highlight überliess man nichts
dem Zufall. Die besten Spieler wurden auf-
geboten – auch solche, die bei den letzten
Zusammenzügen und Universiaden nicht
mit von der Partie waren. Seit dem 23. April
schufteten die Schweizer in Schaffhausen,
im Trainingszentrum der Handballer von
Kadetten Schaffhausen und des Volleyball-
clubs VC Kanti Schaffhausen. Nebst opti-
maler Halleninfrastruktur fanden die Spieler
dort auch einen Wellnessbereich mit Whirl-
pool und Sauna vor.
Ferienlagerstimmung mit Kinoabenden kam
trotzdem nur auf, wenn die spärliche Freizeit
programmiert war. Vielmehr standen Repe-
titionen von Spielzügen, Sprünge, Blocks,
technische Finessen, taktische Schulungen,
Videoanalysen auf dem Plan. Egal, ob an
einem Nachmittag 41 oder 62 Angriffsbälle
geschlagen wurden – in einer Statistik wur-
de jeder Punkt und jeder Fehler fein säu-
berlich notiert. Bei einem Testspiel in Widen
entstand zudem ein Video, das die Lichtver-
hältnisse in der Halle im Zeitraffer einfing.
Während des Trainingslagers blätterte
Coach Carl McGown oft durch den A4-
Block, auf dem er auf fünf Seiten techni-
sche und taktische Details vermerkte, die es
zu verbessern gilt. Er sagte: «Drei Wochen
Vorbereitung sind nichts. Wir bräuchten drei
Jahre.» Entmutigen liess sich die 74-jährige
amerikanische Trainerlegende nie. McGown
wusste: «Die Spieler leisten einen unglaubli-
chen Effort. Sie geben alles.»
Gänsehaut in Widen
Nach 16 Trainingstagen kam endlich der
12. Mai. Mit dem komfortablen Car von Vole-
ro Zürich ging es zur Burkertsmatthalle. «Wir
waren aufgeregt, aber nicht hypernervös»,
wird Captain Joël Bruschweiler später sagen.
Als die Nationalhymne ertönte, spürten nicht
nur die Spieler Gänsehaut. Auch bei Philippe
Saxer, dem Leiter Sport und Technischen Di-
rektor von Swiss Volley, war die Vorfreude
gross. Er hatte sich den Wiederaufbau der
Nationalmannschaft lange gewünscht und
schliesslich in Angriff genommen. «Die aus-
verkaufte Halle und die begeisterten Fans
zeigen, dass wir mit der Wiederbelebung der
Nati auf gutem Weg sind.»
Sportlich bleibt der Erfolg vorerst aus. Zwar
führten die Schweizer im ersten Satz in Wi-
den mit 16:11, verloren aber am Ende mit
0:3 (zu) deutlich. «Die Kroaten überforder-
ten uns mit ihren Blocks», bilanzierte Joël
Bruschweiler, «zudem fehlte uns manchmal
der Mut im Angriff.» – «Und die Geduld, wir
schlossen oft überhastet ab», fügte Carl
McGown an. Ausserdem forderte der Trainer
Europa hat uns wieder!
Erstmals seit 13 Jahren trat das Schweizer Männer-Nationalteam diesen
Mai wieder zu einem Ernstkampf an. In der EM-Qualifikation war nach
zwei Spielen gegen Kroatien Endstation. Begeisterung und Zuversicht hat
das Team um Headcoach Carl McGown aber allemal geweckt.
Foto: Markus Foerster
Gänsehaut: Die Schweizer gaben in Widen vor vollen Rängen ihr internationales Comeback.